Wie hoch sind die Kosten der Besatzung für Israel? Und wer zahlt dafür? Die Debatte um die militärische Besatzung der palästinensischen Gebiete durch Israel im Jahr 1967, die sich in diesem Jahr zum fünfzigsten Mal jährt, dreht sich in der Regel um moralische, diplomatische, militärische und juristische Fragen.
Die Auswirkungen des Konfliktes auf die israelische Gesellschaft - bezüglich des Lebensstandards, des Wirtschaftswachstums, interethnischer und jüdisch-arabischer Beziehungen und dem Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie – werden dagegen selten berücksichtigt. Der politische, akademische und mediale Diskurs suggeriert oftmals, dass die Besatzung von den Geschehnissen innerhalb der israelischen Gesellschaft entkoppelt wäre.
Das Ziel der Studie „The Occupation: Who Pays the Price?” ist es eine entscheidende und fehlende Dimension hinzuzufügen, namentlich die Verbindung zwischen den Lebenswelten auf beiden Seiten der grünen Linie, indem sie den Schwerpunkt auf kritische soziale und ökonomische Folgewirkungen der Besatzung und des israelisch-palästinensischen Konfliktes legt.
Die zentralen Befunde dieser Untersuchung sind, dass die Hauptleidtragenden dieser Situation sowohl arabische, als auch jüdische Israelis mit geringem Einkommen sind. Diese israelischen BürgerInnen sind negativ von dem Wettbewerb mit günstiger palästinensischer Arbeitskraft betroffen, die zudem die Tür für Arbeitskräfte aus anderen Ländern öffnet; von der Politik der finanziellen Einsparungen, die als ein Zeichen finanzpolitischer Verantwortung fungieren soll, trotz der häufigen gewaltsamen Auseinandersetzungen; von den Folgen der Kürzungen im Sozialbereich und in den großen Ministerien für soziale Belange – Bildung, Gesundheit und Wohlfahrt; von der Notwendigkeit immer größere Summen in Verteidigung und Militär zu investieren statt in Soziales.
Die Besatzung wirkt sich negative auf die wirtschaftliche Stabilität aus und schafft Wachstumsbedingungen, die teilweise höchst flüchtig sind, besonders während längerer Gewaltperioden wie der zweiten Intifada oder der „Operation Protective Edge“ im Gazastreifen (2014). Diese Instabilität schadet nicht nur Israelis mit geringem Einkommen, sondern auch großen Unternehmen und Besserverdienenden; dennoch genießen die Letztgenannten den großzügigen Schutz der israelischen Regierung, die alles in ihrer Macht stehende tut, um die Wohlhabenden zu schützen (z.B. indem Einkommens- und Unternehmenssteuern wie auch Kreditkosten gesenkt und Gesetze zur Senkung der Arbeitskosten entworfen wurden).
Die Ungleichheit in Israel ist in den letzten 30 Jahren in die Höhe geschnellt und gehört heute zu den größten in der westlichen Welt. Die Verantwortlichkeit hierfür wird im Allgemeinen einer neoliberalen Politik zugeschrieben, die seit dem „Economic Emergency Stabilization Plan“ aus dem Jahr 1985 vorherrscht. Eine besonders strikte neoliberale Politik wurde während der zweiten Intifada etabliert, die mit der längsten Wirtschaftskrise in der Geschichte Israels zusammenfiel. Ohne das Gefühl des Ausnahmezustandes aufgrund dieser Intifada wären solche extremen Maßnahmen wahrscheinlich nicht durchgesetzt worden oder wären gemäßigter und schrittweise implementiert worden. Dies ist das auffälligste Beispiel für die Verbindung zwischen Neoliberalismus in Israel und der langandauernden militärischen Besatzung auf der anderen Seite der grünen Linie.
Die vollständige Studie ist kostenlos unter folgendem Link verfügbar:
https://il.boell.org/sites/default/files/adva_-_price_of_occupation_en.pd