Ofer Eini – Hoffnungsträger und Retter ? - Publications

Ursula Wokoeck

Im Laufe diesen Jahres erschienen wiederholt Medienberichte, in denen Ofer Eini, der Vorsitzende der Histadrut, des Dachverbands der israelischen Gewerkschaften, als mögliche oder erhoffte Alternative zur gegenwärtigen politischen Führung Israels dargestellt wird. Die Vorstellung oder Hoffnung ist, dass er Ehud Barak als Vorsitzenden der Arbeitspartei ersetzt und dann in den nächsten Knessetwahlen zum Regierungschef aufsteigt.  Zum Teil handelt es sich dabei – vor allem in Kreisen der Arbeitspartei – zweifellos um den Wunschtraum von der „wundersamen“ Errettung durch den „edlen Prinzen auf dem weißen Ross“ (ähnlich der Hoffnungen, die sich 2002/3 auf Amram Mitzna richteten), zugleich steht jedoch auch außer Frage, dass Eini politisch sehr ambitioniert und erfahren ist.

Der in Beer Sheva geborene Eini (Jg. 1958) kann eine sehr beeindruckende Karriere in der Gewerkschaftsarbeit aufweisen. Bereits ein Jahr nachdem er als ausgebildeter Steuerberater Anstellung bei der Einkommenssteuerbehörde fand, wurde er in den „Arbeiterrat“ der südlichen Sektion der Einkommenssteuerbehörde gewählt, und kurz darauf zum Vorsitzenden des Arbeiterrats ernannt. Acht Jahre später wurde er zum Vorsitzenden der landesweiten Vertretung der bei der Einkommenssteuerbehörde Angestellten gewählt. 1999 ernannte ihn Amir Peretz, der damalige Histadrutchef, zum Vorsitzenden des Gewerkschaftsverbands der Angestellten im öffentlichen Dienst. 2004 wurde Eini Vorsitzender der Gewerkschaftsabteilung, die für das Aushandeln von Kollektivverträgen zuständig ist, und rückte somit in die zweitwichtigste Position in der Histadrutführung auf. In diesem Rahmen konnte er zum Beispiel den Arbeitskampf der Hafenarbeiter, deren wiederholte Streikmaßnahmen die Ein- und Ausfuhr erheblich beeinträchtigten, durch einen neuen Kollektivvertrag beenden.

Als Peretz im Zuge seiner Wahl zum Arbeitsparteivorsitzenden von seinem Amt in der Histadrutführung zurücktrat, wurde Eini im Januar 2006 Histadrutchef.  Wie Kreise um Peretz vorwurfsvoll hervorheben, begann Eini, „der von Peretz großgezogen und gefördert wurde“, seine Amtsperiode damit, die Leute von Peretz durch seine eigenen in der Histadrutführung zu ersetzen. Obwohl (oder vielleicht gerade weil) ihn ein ausgesprochen autoritärer Führungsstil auszeichnet,  machte sich Eini auch in dieser Position einen Namen als Vermittler. So wird zum Beispiel die Beendigung der langen Lehrer- und Hochschullehrerstreiks  seiner Vermittlungstätigkeit zugeschrieben. Auch wenn sein Ansehen als Vermittler zum Teil durch eine bewusste Imagepflege in den Medien überzeichnet wird,  ist wohl unumstritten, dass Eini besonders befähigt ist, nicht nur die spezifischen Interessen der beteiligten Parteien klar zu erkennen, sondern vor allem auch ausgesprochen „kreative“ Lösungen zu finden, die für alle annehmbar sind. Diese Vermittlungskunst machte Eini im Frühjahr 2009 zu einem der mächtigsten Menschen in der israelischen Politik, der nicht selten gleich nach Regierungschef Benjamin Netanjahu eingestuft wird. 

Einis Wahlslogan bei seiner Wahl zum Histadrutvorsitzenden war “eine Histadrut ohne (Partei-)Politik”, womit er sich wohl deutlich von seinem Vorgänger Amir Peretz unterscheiden wollte. Obwohl er seitdem nicht müde wird zu erklären, dass er keine Absicht habe, in die Politik zu gehen, ist Histadrutchef Eini deutlich mehr als seine Vorgänger im politischen Geschehen involviert und zwar in einer Weise, die häufig weit über den rein gewerkschaftlichen Rahmen hinausgeht. Dies gilt insbesondere für sein Engagement in der Arbeitspartei. Als Ehud Barak sich Anfang 2007 in den „Primaries“ darum bemühte, sich die Position des Vorsitzenden zurückzuerobern, fand er Unterstützung bei Eini. Es wird Einis Einfluss zugeschrieben, dass Barak sich in der zweiten Runde gegen den damaligen Gegenkandidaten Ami Ayalon durchsetzen konnte. Es wird berichtet, dass damit eine enge Zusammenarbeit zwischen Barak und Eini begann. Nach Baraks eigener Aussage bewundert er Eini für dessen Fähigkeit, sich ein Ziel zu setzen und es dann zu erreichen. Barak kann so nicht nur Einis weitreichenden Einfluss in der Arbeitspartei für sich nutzen, sondern sich durch Einis öffentliche Unterstützung mit einem Sozialprogramm schmücken, das in seiner eigenen politischen Konzeption nicht vorhanden ist. Auch Eini profitiert von der Zusammenarbeit. So war er 2007 zusammen mit Shalom Simhon Leiter des Teams der Arbeitspartei in den Budgetverhandlungen und nahm regelmäßig an den wöchentlichen Sitzungen der Arbeitsparteiminister teil. 

Einis Amtszeit zeichnet sich auch durch seine sehr intensive und harmonische Zusammenarbeit mit Shraga Brosh, dem Präsidenten der israelischen Industrieverbands (Manufacturer’s Association of Israel) und Vorsitzenden des Dachverbands der israelischen Wirtschaftsunternehmen (Federation of Israeli Economic Organizations), aus.  So kam es zum Beispiel im April 2007 zu einer Übereinkunft zwischen der Histadrut und dem Dachverband der israelischen Wirtschaftsunternehmen, dem alle großen privaten Arbeitgeber angehören, hinsichtlich einer allgemeinen Pensionsregelung für alle Arbeitnehmer. Das Übereinkommen konnte als großer Erfolg gefeiert werden, nicht zuletzt weil es der vom Finanzministerium geplanten staatlichen allgemeinen Pensionsregelung, die sowohl von der Histadrut (aus Sorge um ihre Machtposition) als auch von dem Arbeitgeberverband (aus Sorge um die damit verbunden Kosten) abgelehnt wurde, zuvor kam und diese somit überflüssig machte.  Die Zusammenarbeit entwickelte sich so gut, dass bereits im Frühjahr 2008 diskutiert wurde, ob dies der Anfang einer regelrechten „Partnerschaft“ zwischen der Histadrut und dem Arbeitgeberverband sei.

Dieses Muster der Zusammenarbeit mit Stoßrichtung gegen das Finanzministerium setzte sich auch 2008 fort, als im Juni der damalige Finanzminister Roni Bar-On seinen Plan zur Reform der Einkommens- und Unternehmenssteuer vorlegte. Während Bar-On die in der Reform vorgesehenen Steuersenkungen hervorhob, sah die Histadrut in der geplanten Besteuerung von Pensionsfonds einen casus belli. Eini drohte mit einem unbefristeten Generalstreik, sofern der Plan nicht zurückgezogen werde. Kurz vor Ablauf der von Eini gesetzten Frist kapitulierte Bar-On, um „politische Instabilität“ zu vermeiden. Neben Eini lobte auch Brosh die „weise Entscheidung“ des Finanzministers. Broshs Hauptkritikpunkt war, dass das Finanzministerium den Reformplan eigenständig, ohne Konsultation mit der Histadrut und dem Arbeitgeberverband ausgearbeitet und beschlossen hatte.

Die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise  verschärften die Konfrontation zwischen der Histadrut und dem Finanzministerium. Eini forderte ein staatliches „Sicherheitsnetz“ für die Pensionsfonds, die durch die Reform von 2003 in Börsenfonds verwandelt und somit durch den Einbruch auf dem Aktienmarkt stark beeinträchtigt wurden. Die Konfrontation mit dem Finanzminister Bar-On (Kadima) wirkte sich wohl auch auf die letztendlich gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit Tzipi Livni aus, an denen Eini zentral beteiligt war.  Die von der Krise geprägt Stimmung beeinflusst auch die „Primaries“ in der Arbeitspartei, bei denen die von Eini unterstützen Kandidaten besonders erfolgreich waren.  Dies stellte sich eher als ein Pyrrhussieg heraus, angesichts des ausgesprochen schlechten Abschneidens der Arbeitspartei in den Knessetwahlen (13 von 120 Sitzen). Dass sich die Arbeitspartei dennoch, auch trotz aller internen Opposition, an Benjamin Netanjahus Regierungskoalition beteiligte, erregte großes Aufsehen. In den Berichten ausländischer Medien, einschließlich deutscher, erschien Eini oft an prominenter Stelle, wohl nicht zuletzt weil er seine Zufriedenheit mit dem Koalitionsabkommen in gut zitierbarer Form veröffentlicht hatte,  während in der israelischen Presse die Knessetabgeordneten der Arbeitspartei und deren Interesse an Ministerposten im Zentrum standen. 

Zweifellos hat Eini die Regierungsbeteiligung befürwortet und seine Bemühungen in der Frage haben sich auch für ihn gelohnt. Das Versprechen eines wirtschaftlichen Hilfsprogramms wurde Teil des Koalitionsabkommens und öffnete den Weg zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Eini, Brosh und Netanjahu – die besonders in der Ausarbeitung des zwei-jährigen Budgets zum Tragen kam, das im Frühjahr 2009 verabschiedet wurde. Das Budget und der ihm zugrunde liegende „package deal“ zwischen Eini und Brosh wurde sowohl von rechts (als durch seinen Arbeiterschutz zu abschreckend für ausländische Investoren) als auch von links (als zu wenig auf die Interessen der Arbeitnehmer ausgerichtet) kritisiert. Dennoch wurde das Budget nicht nur von der Knesset verabschiedet, sondern fand auch Unterstützung von in der Sozialpolitik engagierten Kreisen, wie zum Beispiel der Arbeitsparteiabgeordneten Shelly Yachimovich. Einis Erfolg gab gleichzeitig wiederum Anlass über seinen möglichen (formellen) Eintritt in die Politik zu spekulieren.  Allerdings ist nicht verständlich ist, warum Eini, der zu diesem Zeitpunkt als mächtigster Mann nach Netanjahu bezeichnet wird, einer von vielen Ministern werden wollen sollte.
Anfang August 2009 rettete Eini Ehud Barak als Führer der Arbeitspartei und damit auch die Regierungskoalition, als sich auf einem Parteikongress die Möglichkeit einer Spaltung abzeichnete. Der konkrete Anlass der Auseinandersetzung war der Termin für die nächsten „Primaries“. Nach den Statuten sollten diese im April 2010 (14 Monate nach der Wahlniederlage) stattfinden. Barak wollte die Statuten dahingehend ändern, dass sie ein halbes Jahr vor den nächsten Knessetwahlen, d.h. im April 2013 stattfinden. Eini ist es gelungen einen Kompromiss (Oktober 2012) auszuhandeln und damit eine Spaltung zu verhindern.  Es spricht gegenwärtig wenig dafür, dass Eini beabsichtigt Barak in der näheren Zukunft zu ersetzen.

Andererseits gibt es Anzeichen dafür, dass ihn sein gewerkschaftliches Engagement in politisch kontroversere Richtungen führt. So beschloss die Histadrut Ende November, auch Arbeitsmigranten die Mitgliedschaft zu ermöglichen. Eini erklärte, dass er erst Anfang November erfahren habe, dass Arbeitsmigranten bisher einer Gewerkschaft nicht beitreten konnten. Dies soll sich nun ändern. Offensichtlich ist der Histadrutführung die Erweiterung ihrer Basis und wohl auch der damit verbundenen potentiellen Einnahmen wichtiger als die Unterstützung der ultraorthodoxen Shas-Fraktion in der Histadrut, die diese Entscheidung entschieden ablehnt. Darüber hinaus wurde beschlossen, dass sich die Histadrutführung für den Verbleib der Migrantenkinder und ihrer Eltern in Israel einsetzt.

Wirtschaftkreise sorgen sich allerdings mehr über die ihrer Meinung nach zunehmende Zahl der von der Histadrut gebilligten und unterstützten Arbeitskonflikte, einschließlich von Streikmaßnahmen. So streiken die Gerichtsstenographen, und auch der tagelange Streik des Verwaltungs- und Reinigungspersonals der größten Krankenkasse erregte Aufsehen. Daneben gab es eine ganze Reihe von kleineren, aber keinesfalls unwesentlichen Arbeitskonflikten. Ende November stellte Eini einen allgemeinen Streik der Kommunalverwaltungen für Mitte Dezember in Aussicht – der Anlass ist wieder einmal die Nichtzahlung von Gehältern. Diese Entwicklungen werden als Änderung in Einis bisheriger Politik der Zusammenarbeit gesehen. Wohin dies führt, ist bisher allerdings noch unklar. Nach Meinung der Wirtschaftszeitung Globes handelt es sich dabei um einen Versuch, Finanzminister Yuval Steinitz zu untergraben. 

Ursula Wokoeck
5. Dezember 2009



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